Fühlendes Götterbewusstsein und moderne Doppelnatur des Menschen

Georg Kühlewind führt dazu aus, dass im Gegensatz zu den buddhistischen Methoden - er nennt sie "fühlendes Götterbewusstsein - heute das Denken "der natürliche Ausgangspunkt eines Übungsweges für den Menschen der Gegenwart ist. Die menschliche Seelenstruktur habe sich verändert - in einem Sinne, den Rudolf Steiner als "Bewusstseinsseelenentwicklung" bezeichnete. Waren früher besondere Vorbereitungen, geistige Lehrer und das Erreichen höherer Bewusstseinszustände nötig, um z.B. seelische Vorgänge und Prozesse oder gedankliche Verläufe zu beobachten, so ist es heute selbstverständlich jedermann jederzeit möglich, "in seinem Alltagsbewusstsein Ideen von Bewusstseinserscheinungen und von dem Bewusstsein selbst zu fassen"

Es gibt also eine Instanz in jedem Menschen, die auch sich selbst bis ins Seelisch und Geistige hinein zu beobachten in der Lage ist- ein Zeuge. Mit dieser Instanz ist im Alltagsbewusstsein "der höhere Mensch als Intuitionsquelle wenigstens potentiell anwesend." Damit kann es aber auch nicht mehr um blosses Loslassen, Ausschalten oder Überwinden der festgestelltem persönlichen Konstruktionen und haftenden seelischen Selbstbilder gehen, sondern um aktive Erkenntnis und Stärkung der eigenen geistigen autonomen Kraftquelle. Es geht dabei nicht um "Ausschaltung des Alltags- Ich, sondern um seine Wandlung."

Die ungesunden, haftenden Selbstbilder erscheinen dabei als seelische Reflexe, wobei erlebbar werden kann, dass das eigene Gefühlsleben "vorwiegend aus einem Sich- Fühlen besteht, d.h. dass der Mensch im Gefühl nur sich selbst erlebt." "Haben -Wollen, Besitz- Ergreifen - die grosse Leidenschaft des modernen Menschen - bedeutet auf dem Erkenntnisweg die vollständige Verhinderung". Die notwenige Überwindung und Wandlung aber kann nicht nur durch Loslassen erreicht werden, sondern im Nutzen der modernen Doppelnatur des Menschen, die darin besteht, dass "ein erkennendes Wesen in ihm auf sein natürliches Wesen schauen kann. Denn diese Emanzipation des Erkennenden bedeutet doch, dass sich "der Erkennende im Menschen wenigstens teilweise von dem Nicht- Erkennenden in ihm gelöst hat."

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aus: Michael Eggert, Die Kunst des Loslassens